Landesausstellung NÖ Tschechien – Grenzlandwandern: Eintauchen in Geschichte
26. September 2008 von Bernhard Baumgartner
1000 Jahre und noch gar nicht so lang her…
Eine “offizielle” Wanderroute führt von Slavonice nach Stare Mesto. Weil diese aber so (im wahrsten Wortsinn und zumindest ohne Fahrradverwendung) “weitläufig” ist, sind wir bei unserer Begehung über die Wüstung Pfaffenschlag zur Graslhöhle abgeschwenkt. Das prominente Ausflugsziel Ruine Landstejn sind wir in einer eigenen Tour angefahren und natürlich auch “angegangen”. Dabei gab es viel Interessantes und auch einiges Überraschendes zu entdecken. Aus diesem Grund sind wir ja dorthin gereist, und deshalb waren wir mit dem Ergebnis dieses Tages auch sehr zufrieden.
Stare Mesto pod Landstejnem: Altstadt lautete der alte Siedlungsname aus der Zeit, als “Böhmen noch bei Österreich war”. Noch mehr als in der Peripherie von Slavonice merkt man hier die 40 Jahre dauernde Isolierung durch den Eisernen Vorhang. Übrigens wird diese in der tschechischen Homepage zu Cesky Kanada so kommentiert: Das grenznahe Gebiet war “bereits hinter dem Stacheldraht zum ´bösen Imperalismus´ gelegen; eine aufdringliche und verbrecherische Tätigkeit des ´Grenzschutzes`führte zum weiteren Abfluss der produktiven Bevölkerung und gleichzeitig zur Verdrängung jeder Touristik, so dass weitere Gebiete in Richtung Inland langsam entvölkert wurden” (http://www.rudolec.cz/kanad-de.php ). Die gotische Mariahimmelfahrt-Kirche mit dem davor stehenden Glockenturm wird gerade renoviert. Wir fahren auf einer Seitenstraße Richtung eines verfallenden Ferienzentrums (RZ MV Landstejn), wo sich seitwärts – durch Infotafeln gekennzeichnet – ein alter jüdischer Friedhof befindet. Innerhalb der zerfallenden Umgrenzung wurden etliche Grabsteine vor einigen Jahren wieder aufgerichtet, nachdem 1938 der Friedhof verwüstet worden war. Interessant ist für uns folgender “Brauch” – wenn ein Grab besucht wird, legt man offenbar einen mitgebrachten Stein auf das Grabdenkmal. Informationen vor Ort bietet (wie an anderen Stellen auch) die Tafel zum “Weg der Religionen / Stezka vyznani”.
Wanderweg zur Ruine Landstejn
Im 13. Jh. entstanden, 1771 nach Blitzschlag ausgebrannt und um 1990 renoviert – Landstejn / Landstein gilt als am besten erhaltenes mittelalterliches Wehrsystem in Tschechien! Die Besichtigung bis hinauf zur höchsten Zinne des romanischen Kernbaues war wirklich äußerst eindrucksvoll. Einerseits wegen der guten Informationsaufbereitung, zusätzlich wegen der herrliche Aussicht. Die Frau “Zerberus” bei der Eintrittspforte gab sich anfangs (naja, sagen wir) ziemlich “reserviert” – doch siehe da, als ich die Ansichtskartennummern nicht auf Deutsch, sondern auf Russisch verlangte (sie korrigierte mich gleich freundlich auf Tschechisch!), taute sie zunehmend auf… Westlich gegenüber liegt das Dorf Pomezi / Markel, wo sich eine noch ältere Burg befand. Von dieser steht noch der Rest der Burgkapelle, welcher gerade instand gesetzt wird (dort auch eine genaue Infotafel!). Bei meinem geplanten Wanderführer muss ich den historischen Details intensiv nachgehen, da sie überaus interessant sind!
Unsere kleine Rundwanderung begann an der Straßenzufahrt von Stare Mesto beim hohen Wegkreuz am Waldrand (kleiner Parkplatz). Man könnte hier links auf einem Fahrweg nach Pomezi und von dort auf der Straße zum Parkplatz bei der Ruine gehen (da hat man gleich diese historische Stätte auch besucht). Wir wählten aber rechts abzweigend eine Forststraße durch das idyllische Waldgebiet oberhalb des Landstein-Stausees. Die Verbotstafeln beziehen sich erst auf das Wasserschutzgebiet im Nahbereich des Staubeckens, wo von einem weiteren (offensichtlichen) Parkplatz die Forststraße mit Loipenmarkierung links ansteigt. Nach ca. 3/4 Stunde kamen wir so abseits des Straßenverkehrs zum Ruinenzugang, der bei einem großen Parkplatz auf dem Bergsattel des Dörfchens Landstejn beginnt (daneben großes Gasthaus, aber nicht ausprobiert – wir labten uns zur Mittagszeit in der Ruine mit den “Resten” des üppigen Frühstücks im Hotel Arkada! Übrigens gibt es einen sehenswerten Ausstellungsraum in der Ruine, für die Eintrittsgebühr nimmt man sich (wie überall empfehlenswert) CZK mit. Bekommt man von einem Geldschein Kleingeld heraus, das Kleingeld gut aufheben, braucht man immer wieder für Parkgebühren oder “WC-Eintritt”…
Unser Rückweg zum “Hohen Kreuz” verlief der Karte nach in Straßennähe, war wie gewohnt gründlich rot markiert und stellte sich wie der Aufstieg als ganz reizvolle Wanderung heraus. Gleich beim Ruineneingang abzweigend (dort kommt man auch zur Greifvogelschau, die aber gerade beendet wurde, als wir hinkamen), geht es an der Westseite des Burgberges an gewaltigen Felsblöcken vorbei. Nach Straßenquerung folgen weitere interessante “Wackelsteine”, sogar mit Steinschalen, und auf einer Felskuppe eine “Lourdes-Kapelle”. Dieser mystische Platz gewinnt noch durch die in den Felsboden gehauene Zugangstreppe. Erst zum Schluss ging es ein kleines Stück die Straße entlang, zum Glück wenig Verkehr trotz Sonntag, aber aufpassen muss man immer – ob als Fußgänger oder Autofahrer – denn die einheimischen Automobilisten neigen zum Rasen…
Noch Kurioses: Unterhalb des Landstejn-Stausees (dieser dient als Trinkwasser-Reservoir) ist eine weiträumiges Sicherheitsbecken ziemlich neu angelegt. Daneben ist ein kleines Sportzentrum zu sehen – mit großer Reklametafel der Waldviertler Sparkasse! Die alten Ferienanlagen schräg gegenüber, nahe einem anscheinend erneuerten Instrustriebetrieb, stammen wohl aus der Ära der CSSR (Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik). Die Barackenbauten wirken verlassen, und ein zentrales Gebäude ist mit Brandspuren eingestürzt.
In eigener Sache: Weil ich mir nicht sicher bin, dass die Bildergalerie beim Einfügen “Spompanadeln” macht und womöglich die beiden Bilder vom Jüdischen Friedhof nocheinmal kommen oder gelöscht werden, bringe ich die Bilder von dieser Tour als “Bilderbuch” beim nächsten Beitrag. Auf den muss man aber nicht lang warten…
1 Reaktion zu “Landesausstellung NÖ Tschechien – Grenzlandwandern: Eintauchen in Geschichte”
Ein eigener Kommentar zum Jüdischen Friedhof bei Stare Mesto / Altstadt:
Uns waren (wie oben bemerkt) die eindeutig mit Absicht ausgewählten und auf die Grabsteine (bzw. Grabplatte) Steine aufgefallen. Dazu fand ich überraschend eine Erklärung in einem Roman, in dem es über Juden im alten Venedig geht.
Zitat: “Und wenn Lea manchmal sagte, die Gräber, sie habe die Gräber zurücklassen müssen (bei einer Vertreibung) und sie wisse nicht einmal, wie diese Gräber heute aussähen, ob jemand Steine auf die Grabsteine lege, dann betete Abram jedesmal zu Gott, dass er Lea diesen Platz hier in dieser Stadt erhalten möge.”
Aus: Bayer Ingeborg, Stadt der tausend Augen, Droemer Knaur, München 1991 (Seite 157).
Ich wollte mich schon bei irgendeiner maßgeblichen Stelle ( ? ) erkundigen, was es mit diesem “Stein auf den Grabstein legen” auch sich hätte, muss mich aber momentan mit diesem Hinweis begnügen.
Oder weiß jemand mehr darüber?
BB