Zum “Ostkap” der Zentralalpen – Wechseltour zwischen Frühling und Frühsommer
15. Juni 2020 von Bernhard Baumgartner
Eigentlich wäre am 12. Juni (Freitag nach Fronleichnam) ein Tour ins nördliche Waldviertel vorgesehen gewesen, um vielleicht noch die Sumpf-Porst-Blüte im Rottalmoos bei Litschau zu erwischen. Aber gerade an diesem Tag und bei der (nach dem schönen Frühjahr) unsicheren Aprilwetterlage im Juni über der Nordgrenze Niederösterreichs eine Labilisierung angekündigt. Gewitter und Starkregen gab es ja jetzt genug, daher in die entgegengesetzte Landesecke gefahren. Den Hochwechsel haben wir erst einmal im Frühjahr und zuletzt im Herbst besucht, und Digitalbilder fehlen uns sowieso noch von dort…
Weil wir wegen der langen Fahrt (eine Strecke über 100 km) schon früh aufgebrochen sind, ist der Parkplatz bei der Steyersberger Schwaig noch recht leer. Obwohl es hier einen Schönwettertag geben soll, kühl und ideal zum Wandern auf dieser Höhe. Vor der Kranichberger Schwaig öffnet sich der Ausblick zu den hohen Kalkalpen, vom Schneeberg bis zur Schneealpe, interessant und überraschend, dass hier bis zum Hochwechsel hinauf schon das Weidevieh aufgetrieben ist. Die Blumenpracht ist erwartungsgemäß für die bodensauren Verhältnisse auf diesen östlichen Zentralalpen (noch oder überhaupt) recht bescheiden. Nur die Alpenglöckchen – hier Soldanella montana subsp. hungarica – blühen je weiter hinauf desto schöner, aber am liebsten den Wegrand entlang und nicht an den Böschungen, was beim Fotografieren eindeutig besser wäre. Und was ist mit den Heidelbeeren los? In ihr frisch ausgetriebenes und prächtig blühendes Grün mischen sich vielerorts rötliche kahle Stängel! Zuhaus nachgegoogelt: Es dürfte sich im die Folgen von winterlichem “Holzfrost” handeln, wobei durch verspäteten Triebabschluss mit fehlender Winterhärte zum Zeitpunkt der ersten strengen Fröste dieses Triebsterben eingesetzt hat, verstärkt durch den Pilzbefall Godronia cassandrae (Rotfärbung?). Der Austrieb erfolgt dann aus den tieferen Pflanzenabschnitten, und wenn nicht noch ein schlimmes Wetter kommt, dürfte es nach der üppigen Blüte auch viele Heidelbeeren geben – aber bis dahin ist ja noch lange Zeit…
Vom Dreiländereck hinauf zum Umschussriegel sind die alten Bergwege am eindrucksvollsten, vor allem weil man sonst am Wechsel meist auf Forststraßen unterwegs ist. Auf diesen tummeln sich Scharen von Radfahrern, vor allem mit E-Bikes und wegen der schon im Vorjahr eröffneten MTB-Trails. Auf jeden Fall am besten nicht auf der Forststraße bei der Wechselgrube bleiben (machen wir im Abstieg) und auch beim Anstieg nach dem tieferen Schöberlriegel zum Kammrücken hinaufgehen. Dort ist die Aussicht am schönsten, auch hier weiden schon die Rinder, und auf der Felsburg am Umschussriegel machen wir eine interessante Entdeckung, weil wir noch nie dorthin abgeschwenkt sind und an diesem Tag dort unsere “Gipfelmittagsrast” abhalten wollen.
Ich bin mir unsicher, worum es sich bei dieser Steinschlichtung gleich nordwestlich unter dem mit Steinmann gekennzeichneten Gipfel des Umschussriegels handelt – einen ehemaligen Unterstand jedenfalls, aber ob für den Almbetrieb aufgerichtet oder doch ein Rest aus der Zeit der erbitterten Endkämpfe zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee, die im Frühjahr 1945 auf dem Hochwechsel tobten und währenddessen ganze Ortschaften (wie Wenigzell) total zerstört wurden? Längst ist hier alles schon lange Zeit friedlich, und wir können froh sein, dass diese schrecklichen Ereignisse nur mehr in der Erinnerung von uns Ältesten vorhanden sein können. Die jüngeren Generationen können sich zum Glück nicht vorstellen, wie das Leben damals überhaupt und hinsichtlich der technischen Errungenschaften und des verbreiteten Wohlstands gewesen ist…
Trotz der sommerlichen Wetterverhältnisse ist die Aussicht vorzüglich, die Wolkenballen schweben so nahe über aus dahin, dass man sich wie im Flug fühlen kann. Vor allem nach Südwesten ist der Bergraum unter dem weiten steirischen Himmel fast unendlich ausgebreitet, über den Schöckel und den Hochlantsch weit hinaus, so gut benennen wie den Hauptzug der Nördlichen Kalkalpen vom Schneeberg bis zum Hochschwab können wir allerdings diese Alpengegenden nicht. Dafür blüht es zu unseren Füßen umso intensiver, mit den wenigen Arten dieser Gesteinszone – sommerlich das Goldfingerkraut, Reste vom frühlingshaften Teppich der Gemsheide, dazwischen jede Menge von Moosen, Flechten und Bärlapp. Erst im Hochsommer kommen dann weitere Arten hinzu, vor allem interessante seltenere Weidenröschenarten an der Nordflanke des Hochwechsels. Dorthin kommen wir an diesem Tag leider nicht mehr, denn auf das Wetterkoglerhaus verzichtend, wandern wir nach der Mittagsrast – Verpflegung von der “Genusswerkstatt Baldrian” der Bäckerei Käppl bei uns in St. Veit an der Gölsen und Hainfeld – schön gemütlich zurück zum Asugangspunkt. Viele Fotos, einiges gelungen, aber wie beim volldigitalisierten Auto macht das Gerät immer wieder einmal nicht das, was wir eigentlich wollen…
Wie immer im Blog die Bilder von Anni und mir gemischt! Unseren neuen Blog: “bb-natur-wandern.at” erstellt und eingerichtet von Sonja (Mag. Sonja Gladycz, Mama unserer jüngsten Enkelin Elena) habe ich leider noch nicht voll aktiviert. Dieser wird auch weiterhin die wandertipp-Beiträge enthalten, aber ganz einfach den aktuellen Internetauftritten angepasst sein, vor allem was die Suchfunktonen der Netzwerke wie Google betrifft. Ich selber muss mich erst, nachdem Sonja ihr Projekt so gut erfüllt hat, mit dem neuen Medienauftritt einarbeiten…
Nach der Talfahrt nehmen wir von Kirchberg am Wechsel nicht die Rückfahrt durch das Pittental, sondern fahren über die Rams nach Gloggnitz hinüber – bemerkenswerte Berglandschaft, leider keine Idealblick auf das Schloss Kranichberg (Durchfahrt beim Hotel durch die beiden Burgtore!) und zur Schnellstraße. Bis zum Abend hat hier das Wetter gut gehalten, und den Wechsel werden wieder erst aufsuchen, wenn die Heidel- und Preiselbeeren im Frühherbst reifen oder wenn es vielleicht dann (wie schon einmal erlebt) statt der Beeren eine Unmenge Pilze gibt!
Ja, richtig, fast vergessen – oben auf dem Hochwechsel habe ich eine Markierung der “Via pannonia” gesehen, die von Ungarn her Richtung Mariazell führt und die ich (bei einer Neuauflage) auch in meine “Pilgerwege” aufnehmen will!