Im magischen rätischen Dreieck 6 von 7
25. Juli 2008 von Bernhard Baumgartner
Unterwegs in einer historischen Landschaft – Burgstädte und Bergdörfer im Vinschgau und Unterengadin
Der geschichtliche Hintergrund: Die enge Nachbarschaft zwischen Tirol (bis 1919 ungeteilt auch Südtirol umfassend) und dem schweizerischen Graubünden – habsburgisch kontra eidgenössisch – war nicht immer so ungetrübt wie heute. Schon im späten 13. Jh. formierte sich in den Stammlanden der Habsburger der Widerstand gegen dieses in Österreich zur Herzogswürde aufgestiegene Geschlecht. 1291 vereinigten sich die Bewohner der Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden mit dem “Rütlischwur” und sagten sich von Habsburg los. 1315 bei Morgarten und 1386 bei Sempach unterlagen die herzoglichen Ritter den Bauernheeren der Eidgenossen. Damit zurück in den Vinschgau, der bereits 1140 zum Kernland Tirols gehörte und wie ganz Tirol 1363, unter Rudolf IV. dem Stifter, den habsburgischen Ländern einverleibt wurde. Gegen die Unabhängigkeit der Schweiz wurde noch länger Krieg geführt: Beim Feldzug der Habsburger gegen Graubünden erwarteten bei der Talenge mit der Calvenbrücke (am Eingang des Münstertals) 12 000 Mann in einer Stellung verschanzt des Heer der Bündner. Die an Zahl und Ausrüstung weit unterlegenen, aber gebirgserfahrenen Schweizer gelangten über Klettersteige in den Rücken der feindlichen Stellung. Von zwei Seiten angegriffen, wurden die habsburgischen Soldaten niedergemetzelt. Die siegreichen Schweizer verwüsteten anschließend den oberen Vinschgau und auch das nahe Glurns. Dieser strategische Punkt wurde als kleine Festungsstadt von den Habsburgern um 1510 wieder aufgebaut und hat seither sein Aussehen kaum verändert.
Zur Übersicht besteigen wir vorerst den Tatscher Bühel – pannonisch anmutende Trockenrasen (wir sind ja im inneralpinen Trockengebiet !), die romanische St. Veit-Kirche und ein Blick auf Glurns wie aus der Vogelschau. In älteren Kunstführern heißt es noch, dass in den Tortürmen die Hühner der Glurnser Ackerbürger hausten und ihre Kuhherden durch die mit Laubengängen versehenen Straßen trotteten. Das ist natürlich längst Vergangenheit, aber der pittoreske Eindruck dieser bäuerlichen Burgstadt ist noch immer erhalten.
Über Müstair und den Ofenpaß gelangen wir dann ins Unterengadin, die Fahrt geht dabei durch den Nationalpark der “Engadiner Dolomiten”, ein geologisches Gegenstück zu den Radstädter Tauern (Unterostalpin an der Grenze zu den Westalpen) mit schottrigen Kalkbergen und einem etwas zerzaust wirkenden Spirkenwald (= eine hochwüchsige Legföhrenart). Über Zernez werden die malerisch am Sonnenhang gelegenen Engadiner Bergdörfer erreicht.
In Sent können wir mit Erlaubnis des zum Glück anwesenden Besitzers die auf Privatgrund gelegene Kirchenruine St. Peter besichtigen. Von diesem allerdings in Zürich ansässigen freundlichen Herrn erfahren wir auch eine kuriose Begebenheit aus der Reformationszeit: Beim protestantischen Bildersturm wurden die Heiligenstatuen aus den katholischen Kirchen entfernt und meist über Felswände oder in Wildbachschluchten “verworfen”. Die scharfsinnigen Senter jedoch verkauften ihre Heiligen den Benediktinern von Marienberg und machten damit noch ein gutes Geschäft! Im nächsten ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Dorf Guarda treffen wir wieder auf typische Engadinerhäuser (mit Sgraffitoverzierungen, aber kaum Blumenschuck !). Die gotischen Kirchenbauten der evangelisch-helvetischen Gemeinden fallen uns durch ihre Schlichtheit auf.
Aus dem schluchtartig eingeschittenen Inntal geht es abschließend hinauf nach Nauders, jedoch wollen wir die historische Befestigung im Finstermünzpaß nicht versäumen. Was wir an diesem erlebnisreichen Tag alles gesehen haben, schildere ich hier nur von den Orten, wo uns auch Bilder gelungen sind – in Taufers und Müstair war dies leider nicht der Fall, und unsere Digitalkameras lechzen förmlich schon nach dem Urlaubseinsatz in diesen eizigartigen Kunststätten….